Oxidativer Stress

Oxidativer Stress bedeutet, dass mehr freie Radikale im Körper zirkulieren als Antioxidantien, die sie neutralisieren können. Zum einen sind freie Radikale wichtig für die körperliche Adaptation an Training; zum anderen steigt bei zu großem oxidativen Stress aber die Wahrscheinlichkeit für verschiedene Erkrankungen. Wie oxidativer Stress entsteht, welche Folgen er hat und welche Rolle er bei Sport und Training spielt, erfährst du hier.

Was ist oxidativer Stress?

Oxidativer Stress entsteht, wenn im Körper mehr freie Radikale zirkulieren als antioxidative Abwehr vorhanden ist. Freie Radikale sind aggressive Sauerstoffverbindungen, die durch Einwirkung von Stress entstehen. 

Diesen Stress können Entzündungen im Körper, Verletzungen oder Reparaturprozesse erzeugen – das sind sogenannte endogene Faktoren. Verursachen können ihn aber auch Einflüsse von außen, zum Beispiel UV-Strahlung, Ozoneinwirkung, schädliche Umweltstoffe wie Autoabgase oder auch Zigarettenrauch. Das sind exogene Faktoren. 

Antioxidantien sind Substanzen, die diese freien Radikale unschädlich machen können, indem sie sie inaktivieren. Es gibt verschiedene Antioxidantien, wie du später noch erfahren wirst. Bekannte Vertreter sind zum Beispiel die Vitamine C oder E.

Welche Effekte hat oxidativer Stress auf den Körper?

Oxidativer Stress, also die Entstehung von freien Radikalen, kann Zellen – auch Muskelzellen – abtöten und zelluläre Funktionen sowie Proteine (Eiweiße), Lipide (Fette) und Enzyme (Eiweiße, die verschiedene biochemische Reaktionen im Körper steuern) schädigen. 

Dadurch erhöht sich zum Beispiel das Risiko für degenerative, also abbauende, Erkrankungen wie Alzheimer, Osteoporose oder Parkinson, aber auch für Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Es kann zu Gewebsentzündungen und Zellschwellungen kommen. Darüber hinaus können freie Sauerstoffradikale auch das Erbgut, die DNA, schädigen und den Alterungsprozess beschleunigen.

Wie stehen Sport und oxidativer Stress in Zusammenhang?

Freie Radikale und oxidativer Stress scheinen also auf den ersten Blick etwas zu sein, das man möglichst vermeiden möchte. So einfach ist es jedoch nicht. Oxidativer Stress wird erst dann zum negativen Faktor, wenn er zu groß wird. Ein gewisses Maß an endogenem oxidativem Stress, im Fall von Sportlern beispielsweise durch Training, ist sogar notwendig, um die Leistung zu steigern.

Positive Effekte durch oxidativen Stress

Die freien Radikale lassen sich in reaktive Sauerstoffspezies (ROS) und reaktive Stickstoffspezies (RNS) einteilen. Für Sportler relevant sind besonders die ROS. Zum einen, weil Studien gezeigt haben, dass der Körper ein bis fünf Prozent des eingeatmeten Sauerstoffs nicht zu Wasser, sondern zu ROS umwandelt – und ein Athlet atmet oft und tief.

Zum anderen sind die Mitochondrien, die Kraftwerke der Körperzellen, sowie verschiedene Prozesse, die bei physischer Belastung im Körper vonstatten gehen (Haupt-)Quellen für reaktive Sauerstoffspezies – und beeinflussen somit die Leistungsfähigkeit.

Der Prozess, den wir mit Training anstoßen wollen, ist die sogenannte mitochondriale Biogenese: Das Mitochondrium wird einem Reiz ausgesetzt und passt sich daran an. Je mehr Mitochondrien, je besser sie arbeiten und je enger zusammen sie sitzen, desto mehr Sauerstoff kann ein Ausdauersportler aufnehmen und in der Muskulatur verarbeiten. Je mehr Sauerstoff er verarbeiten kann, desto mehr Energie kann er umsetzen. Die Leistung wird besser.

ROS sind einer der Signaltransduktionswege, die die Ausschüttung von bestimmten Hormonen antriggern, die an der mitochondrialen Biogenese beteiligt sind. Zum Beispiel PGC-1-alpha, ein Schlüsselhormon bei der Anpassung innerhalb der mitochondrialen Biogenese, oder auch VEGF. Das ist ein Hormon, das vor allem auf mechanischem Weg angetriggert wird, und zwar über die Scherkräfte in den Arterien: je intensiver das Training, desto mehr Scherkräfte, weil mehr Blut durchgepumpt wird. Mehr VEGF führt zur Anpassung der Mitochondrien. 

Risikofaktoren bei zu viel oxidativem Stress 

Grundsätzlich ist Sport also gesundheitsförderlich und oxidativer Stress durchaus erwünscht. Regelmäßige moderate körperliche Betätigung reduziert unter anderem auch die negativen Effekte von eventuell zu viel vorhandenen freien Radikalen, indem sie die körpereigene Abwehr stärkt. Anstrengende, harte physische Belastung (Simioni et al. 2018 spricht von mehr als 30 Minuten nahe der Leistungsgrenze) verursacht jedoch oxidativen Stress, macht das Immunsystem anfälliger und fördert Entzündungsprozesse. Wo genau jedoch die individuelle Grenze von „gutem“ zu „schlechtem“ oxidativen Stress verläuft, lässt sich wissenschaftlich fundiert nicht sagen.

Antioxidative Systeme: Schutz vor oxidativem Stress

Die gute Nachricht: Wer nicht ständig am Limit sportelt, sondern sein Training strukturiert und sinnvoll aufbaut, passt seinen Körper auch in puncto ROS an. Das heißt, Menge und Qualität der Mitochondrien erhöht sich, während sich gleichzeitig weniger ROS ansammeln. Das Level der reaktiven Sauerstoffradikale kann also sogar als Parameter für die Bestimmung der mitochondrialen Anpassung dienen. 

Diese ROS-reduzierenden Prozesse in den Mitochondrien gehören zu den sogenannten enzymatischen antioxidativen Systeme. Daneben gibt es noch die nicht-enzymatischen antioxidativen Systeme.

Enzymatische antioxidative Systeme

Zu den enzymatischen antioxidativen Enzymen gehören

  • Superoxiddismutase (SOD): ein Enzym, welches das schädliche freie Radikal Superoxid (O2-) katalysiert und den oxidativen Stress in den Mitochondrien bereinigt
  • Katalase (KAT): dieses Enzym verringert den oxidativen Stress, in dem es Wasserstoffperoxid (H2O2) zu Sauerstoff und Wasser umbaut
  • Glutathionperoxidase (GPx): reduziert Wasserstoffperoxid zu Wasser und ist damit ein wichtiges Enzym, um reaktive Sauerstoffspezies in den Zellen zu entgiften

Nicht-enzymatische antioxidative Systeme

Zu den nicht-enzymatischen Systemen zählen eine Reihe von Radikalfängern wie Vitamin A (Retinol), Vitamin E (Tocopherol), Glutathione, Carotinoide und Vitamin C (Ascorbinsäure). Weiterhin werden diverse Mineralstoffe mit antioxidativer Wirkung assoziiert. Zu diesen Stoffen zählen unter anderem Kupfer (Cu), Eisen (Fe) und Zink (Zn).

Unterschieden wird bei diesen Systemen zwischen direkten und indirekten Antioxidantien. Direkte Antioxidantien sind Stoffe wie Vitamin E, Vitamin A und Vitamin C, die direkt an den freien Radikalen wirken. Indirekte Antioxidantien sind unter anderem die Mineralstoffe, da diese als Co-Faktoren für die enzymatischen antioxidativen Systeme gelten. Das heißt, sie sind eine Art Hilfsmolekül, das Enzyme dabei unterstützt, bestimmte Reaktionen zu beschleunigen.

Achtung: Eine Supplementierung, zum Beispiel von Vitamin C, kann die Anpassung der Mitochondrien hemmen, wenn sie zu hoch dosiert ist. Sofern kein Mangel besteht, sollte die Zufuhr deshalb immer über die Nahrung erfolgen (bspw. in Zitrusfrüchten, Grünkohl, schwarzen Johannisbeeren). Supplemente sollten nicht höher als 200 Milligramm pro Tag dosiert sein.

In der 79. Folge vom Junkmiles Podcast sprechen Daniel Beck und Björn Geesmann nochmal detailliert über freie Radikale, das körpereigene Immunsystem im Training und was es bei der Supplementierung von Antioxidantien zu beachten gibt.

Hier geht es zur Podcast-Folge #79 | Oxidativer Stress und Training

Fazit

Freie Radikale hat jeder im Körper. Wir brauchen sie, damit unser Körper gesund bleibt und funktioniert. Gefährlich wird es nur, wenn das Gleichgewicht aus freien Radikalen und Antioxidantien ins Wanken gerät und in Richtung ROS kippt. Dem lässt sich unter anderem mit sinnvoll aufgebautem regelmäßigem Training, abwechslungs- und nährstoffreicher Ernährung, wenig Alkohol, Rauchstopp und UV-Schutz bei sportlicher Betätigung draußen aber vorbeugen.

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