Studie des Monats: Höhentraining

Radprofis machen es, einige Profi-Leichtathleten oder -Triathleten ebenso: Sie verbringen einige Wochen pro Jahr in der Höhe. Damit, welche Varianten des Höhentrainings es gibt, wie man es richtig strukturiert und was man dabei falsch machen kann, haben sich Wissenschaftler aus England, Frankreich und der Schweiz in einer Studie beschäftigt.

Höhentraining – damit kann ein Aufstieg in den Alpen im Rahmen einer Wanderung oder Radtour gemeint sein, das klassische Trainingscamp in mindestens 2.200 Meter Höhe oder aber Schlafen im Höhenzelt, das die „dünne Luft“ in höheren Lagen simuliert – und dessen Generator ordentlich summt.

Das Thema Höhentraining hat also verschiedene Facetten und es ist in der Trainingswissenschaft gut erforscht. Eine der Studien, die sich damit beschäftigt haben und die vier Methoden aufzeigt, wie sich Höhentraining angehen lässt, ist im Jahr 2010 in der Zeitschrift Sports Medicine veröffentlicht worden: „Combining Hypoxic Methods for Peak Performance“, zu Deutsch etwa „Höhentrainingsmethoden für maximale Leistung kombinieren“. Warum aber ist Höhentraining im sportlichen Kontext überhaupt so interessant?

Was bringt Höhentraining?

Durch den Aufenthalt in Höhen zwischen 2.200 und 2.500 Metern passen sich unterschiedliche Körpersysteme an. Es gibt zum Beispiel respiratorische Effekte: Da die Luft in Höhenlagen dünner und der Luftdruck niedriger ist, muss die Atemmuskulatur der Lunge mehr arbeiten. Dadurch wird sie im Idealfall stärker. Auch auf die Ökonomie kann sich Höhentraining positiv auswirken, beispielsweise können sich die anaerobe Belastbarkeit beziehungsweise der aerob-anaerobe Schwellenwert verbessern.

Die größten Anpassungen passieren auf hämatologischer Ebene, also im Blut. Die wichtigste Veränderung ist hier, dass durch die Höhenluft die Niere mehr des körpereignen Hormons Erythropoetin (EPO, von der Wirkung gleich wie, aber nicht zu verwechseln mit dem verbotenen Dopingmittel) produziert. Das EPO regt wiederum die Bildung roter Blutkörperchen an, und die versorgen während der Belastung die aktive Muskulatur mit Sauerstoff. Je mehr es davon gibt, desto besser – das macht den Körper ausdauerstärker. Denn die Verfügbarkeit von Sauerstoff spielt eine entscheidende Rolle in der Energieversorgung der Muskulatur.

Welche Höhentrainings gibt es?

Es gibt vier Konzepte des Höhentrainings:

  • Train high – live high: Man lebt und trainiert in der Höhe, wobei die Athleten oft etwas „niedriger“ trainieren als schlafen. So muss die Trainingsintensität nicht ganz so sehr gesenkt werden gegenüber dem Training auf normaler Höhe.
  • Train low – live high: Hierbei schläft der Sportler in der Höhe und geht zum Training in die Tieflagen. Das kann man in der Natur machen. Da das aber recht aufwendig ist, kommt für diese Methode oft ein sogenanntes Höhenzelt zum Einsatz. Also eine Art Schlafraum, in dem künstlich Höhenluft erzeugt wird, um die gewünschten Anpassungsprozesse anzustoßen.
  • Train high – live low: Das umgekehrte Prinzip, bei dem die Athleten in der Höhe trainieren und im Tiefland leben und schlafen. Dabei setzt sich der Sportler kürzeren Phasen unter Höhenbedingungen aus. In erster Linie soll sich dadurch der Sauerstofftransport in die Muskulatur verbessern, was vor allem für kurze Distanzen interessant ist. Erzeugen lässt sich eine solche Trainingsumgebung auch mittels eines speziellen Trainingsraums oder in einem Höhentrainingszentrum. Das ist aber recht kostspielig.
  • Intermittierendes Höhentraining: Hier macht nicht nur der Sportler Intervalle, sondern auch die Umgebungsluft. Soll heißen, Athleten atmen abwechselnd normale und Höhenluft. Das geht in Bewegung, aber auch in Ruhe über ein spezielles Kreislaufatmungsgerät. Im Grunde ein „train high – live low“-Konzept to go.

Train high – live high: So geht’s

Die eingangs erwähnte Studie hat sich nun die verschiedenen Methoden angeschaut, sie bewertet und führt an, was es zu beachten gibt. Um den Rahmen hier nicht zu sprengen, schauen wir uns „train high – live high“ etwas genauer an, da dies für Nichtprofis den größten Mehrwert auch im eigenen Training haben könnte.

Ein solches Höhentraining, so schreiben die Studienautoren, sollte zwischen zwei und vier Wochen dauern. Ein Wochenendtrainingslager in der Höhe ist zwar toll und man hat auch einen gewissen Effekt durch das Training in den Bergen. Die genannten höhenspezifischen Anpassungen stellen sich in einem so kurzen Zeitraum allerdings nicht ein.

Die Studie unterteilt das Höhentraining in vier Phasen:

  1. Akklimatisierung: Diese Phase sollte sieben bis zehn Tage dauern. Sie umfasst Dinge wie leichte Bewegung, Höhensensitivität kontrollieren etc.
  2. Haupttrainingsphase: Sie hat bestenfalls eine Dauer von zwei bis drei Wochen, ähnlich wie ein klassisches Trainingscamp.
  3. Recovery: zwei bis drei Tage lang. Der Körper wird entlastet, um sich vollumfänglich anpassen zu können.
  4. Vorbereitung auf die Rückkehr auf Meereshöhe: Hier sind zwei Varianten möglich – Rückkehr kurzfristig, d. h. 2-4 Tage, vor dem Wettkampf, oder mit einem Vorlauf von drei Wochen oder mehr bis zum Renntag.

Scheint der letzte Punkt auf den ersten Blick vielleicht lediglich eine Formalie zu sein, wird in der Studie klar, dass sich genau hier noch einiges kaputtmachen lässt. Und zwar, wenn man den Wettkampf irgendwo zwischen Variante 1 und 2 angesiedelt hat.

Denn die erste Option, die kurzfristige Rückkehr, macht es sich zunutze, dass sich vor allem die respiratorischen Anpassungen positiv auswirken: Der Atemwiderstand ist wieder normal, die Atemmuskulatur aber gestärkt.

Die zweite Variante setzt darauf, dass in den rund drei Wochen zwischen Rückkehr und Rennen die ganzen hämatologischen Effekte tatsächlich durchschlagen, sprich: sich Blut, Hormonhaushalt, Signaltransduktionswege – also die Signalübertragung ins Zellinnere – und die Mitochondrien ihre Anpassung vollzogen haben. Je besser man trainiert ist, desto kürzer kann die Zeit sein, die diese Anpassung braucht.

Wer aber zwischen Rückkehr aus der Höhe und Wettkampf nur etwa zehn bis zwölf Tage vergehen lässt, hat eine ziemlich hohe Wahrscheinlichkeit, dass die respiratorischen Vorteile schon wieder im Abbau sind, während die hämatologischen Effekte noch nicht richtig greifen. Das Höhentrainingscamp bleibt ohne Nutzen.

Wirkt Höhentraining bei jedem?

Wie so vieles ist auch ist die Wirkung von Höhentraining individuell. Athleten sprechen unterschiedlich sensitiv auf Höhe an. Wer es selbst einmal ausprobieren möchte, sollte vorher einen Termin beim Arzt vereinbaren und ein Blutbild machen lassen, bei dem Ferritin miterfasst wird, ein Eiweiß, das für dich Speicherung von Eisen im Körper zuständig ist. Das brauchen wir, damit die hämatologischen Anpassungen klappen. Denn Eisen trägt maßgeblich zum Sauerstofftransport in die Zellen und die Muskulatur bei. Vor Ort sollte dann nach einem individuell sinnvollen Plan trainiert und auf ausreichende Zufuhr von Mikronährstoffen und Flüssigkeit achten, damit der Körper den Reiz bestmöglich verarbeiten kann. Wer sich tiefer in die Materie einlesen möchte, der findet die Studie hier.

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