Bike- und AeroFitting in drei Akten: A story to be continued
Alex Siegmund dürfen wir seit zwei Jahren durch den ambitionierten Agegroup-Triathlon begleiten. Seit einem Jahr vertraut Alex – der im beruflichen Leben Mitgründer der Marke INCYLENCE ist – uns auch seine Sitzposition an, die wir seither optimieren dürfen. Für euch hat Alex einen kleinen Bericht über seine bisherigen Erfahrungen verfasst:
Bike- und AeroFitting in drei Akten: A story to be continued
„Die optimale Position auf dem Triathlonrad ist immer ein Prozess, der nie zu Ende ist“. So oder ähnlich lauten die meisten Aussagen von Bikefittern und Sportwissenschaftlern, wenn man sie nach der perfekten Position fragt. Immerhin ist die Zeitfahrposition hochkomplex und hängt von vielen Faktoren ab, die sich mit der Zeit verbessern, aber auch verschlechtern können. Die Beweglichkeit beispielsweise oder auch die Kraft im Rumpf und unteren Rücken.
Mit HYCYS habe ich vor ziemlich genau einem Jahr angefangen an der Position auf meinem Scott Plasma zu arbeiten. Der IRONMAN Hamburg war das ganz große Ziel in diesem Jahr und die Position auf dem Rad sollte mir helfen, möglichst effizient und komfortabel zu fahren und die Grundlage für einen guten Marathon zu legen.
Teil 1: Der Status Quo
Das Rad war schon im September 2019 vor dem BikeFitting gut eingestellt und hat funktioniert. Bei der Challenge Roth konnte nach einem Split von 4:36 Stunden bei konservativer Pacing-Strategie noch einen Marathon in 3:00 Stunden laufen und nach 8:40 Stunden ins Stadion von Roth einlaufen. Entsprechend klein, aber dennoch effektiv und messbar waren die Veränderungen während des ersten Fittings im Hamburger Labor. Den Sattel minimal in der Höhe und im Nachsitz verändert, die Pads der Extensions leicht gedreht und minimal länger gestellt. Das Ergebnis war eine Entspannung der Schulterpartie und vor allem eine bessere Druckverteilung auf dem Sattel. Druck-Spitzen wurden völlig eliminiert, was sich nicht nur in den Grafiken widerspiegelte, die durch Druckmessmatten generiert werden, sondern auch im subjektiven Empfinden.
Das Fitting im Labor war gleichzeitig Vorbereitung für die anschließende aerodynamische Optimierung im Januar 2020 auf der Bahn in Büttgen. Die Stätte, in der schon zahlreiche Radsport- und Triathlonlegenden auf den Prüfstand gestellt und optimiert wurden. Und jetzt ich als Amateur mit gerade einmal fünf Jahren Triathlonerfahrung? Entsprechend nervös war ich mit Blick auf die steilen Kurven, die ich zwar schon aus Erfahrung als Begleiter eines Aero-Tests kannte, jedoch noch nie gefahren bin. Ab ins kalte Wasser also…
Teil 2: Die 13 als Glückszahl
Kleinere Veränderungen am Cockpit (schmaler, weiter auseinander, Extensions länger oder kürzer stellen) ergaben dabei keine positiven Veränderungen. Insgesamt war die Position – vor allem gemessen an meiner Größe (1,93m) – also schon gut und halten konnte ich sie auch. Im nächsten Schritt haben Jonas und Niklas mir die „aktive Haltung“ erklärt: Kopf runter, Rücken flach und aktiv strecken. Nichts, was man auf Anhieb über die gesamte Wettkampfdauer fahren kann, aber mit entsprechendem Training mit der Zeit länger halten und in bestimmten Rennsituationen anwenden kann.
Sieben Watt kann ich durch diese Position bei unverändertem Material im Vergleich zur normalen Körperhaltung sparen. Die Hausaufgaben waren klar: üben, üben, üben!
Neben diesen „geschenkten“, weil kostenlosen, Watt, gibt es natürlich auch im Bereich Material noch einiges herauszuholen. Drei unterschiedliche Einteiler und fünf Helme habe ich in unzähligen Testläufen von den Experten unter die Lupe nehmen lassen.
Mein bisheriger Einteiler von Fe226 war dabei das schnellste Modell: Haken hinter. Bei den Helmen lag mein Aerohead von Giro genau in der Mitte. Zwei Modelle – ein Kask und ein Hjc – schnitten sechs bzw. drei Watt besser ab. Hier gilt es gründlich zwischen Watt, Komfort, Sichtfeld und Belüftung abzuwägen. Der schnellste Helm bringt bspw. nichts, wenn der Kopf auf Hawaii anfängt zu glühen oder man durch das Sichtfeld derart eingeschränkt ist, dass man die optimale Kopfposition nicht halten kann.
Nach viereinhalb Stunden und rund 45 Kilometern habe ich das Velodrome also mit 13 Watt Ersparnis und einigen anderen wichtigen Erkenntnissen verlassen: Auf dem Rad kann man aktiv und passiv sitzen und Aerodynamik ist damit auch durchaus Übungssache.
TEIL 3: Individuelle Einlagen
Im Laufe des Jahres habe ich immer mal wieder mit Schmerzen unter der Fußsohle zu kämpfen gehabt, die teilweise schon nach 30 Minuten Fahrzeit auftraten. Dabei spielte es kaum eine Rolle ob ich mit den Einlagen des Herstellers oder anderen radspezifischen Einlagen gefahren bin. Der Griff ging also zum Hörer und nach einiger Beratung stand fest: Ich probiere es mit den Einlagen von gebioMized. Im August 2020 stand ich also wieder auf der Matte von HYCYS. Triathlonrad in der einen und die Radschuhe in der anderen Hand.
Nach einer ersten Begutachtung meiner Füße und einem 3D-Scan stand fest: rechts und links stark unterschiedlich ausgeprägte Fußgewölbe. Wie aber verhalten sich dabei meine Füße im Radschuh unter Belastung? Ein paar Minuten und Messungen auf dem Rollentrainer später stand fest: Genau dort, wo ich Yannick meine Probleme geschildert habe, sind Druckspitzen zu erkennen, die höchstwahrscheinlich Auslöser für die Schmerzen sind. In mühevoller Kleinstarbeit hat Yannick anschließend Wedges, die man sich wie leichte Plättchen vorstellen kann, in die Schuhe platziert. Diese unterstützen den Fuß in bestimmten Bereichen und bringen ihn in die richtige Position, damit der Fuß unter Belastung nicht in sich zusammenfällt. Die Stärke der Wedges war dabei rechts und links unterschiedlich.
Nach ein paar Durchgängen auf der Rolle bei ungefährer Langdistanz-Intensität ist es uns gelungen, die Druckverteilung deutlich zu verbessern. Auch hier stimmten die wissenschaftliche Messung und mein Körpergefühl überein. Dazu hat sich der Tritt „voller“ angefühlt, ich hatte also das Gefühl mehr Druck aufs Pedal zu bekommen. Die gewonnenen Erkenntnisse hat Yannick an die Freunde von gebioMized nach Münster geschickt, die anschließend – quasi in Handarbeit mit einer Fräse – meine ganz eigenen und individuellen Maßeinlagen gebaut haben. Keine drei Wochen später hielt ich die Einlagen in den Händen und habe seitdem alle Einheiten in unterschiedlichen Längen und Intensitäten absolviert. Keine Anpassungsprobleme und vor allem: keine Schmerzen mehr!
To be continued
Es ist faszinierend, wie groß die Unterschiede kleinster Veränderungen sein können. BikeFitting ist Millimeter-Arbeit. Triathleten – vor allem, wenn sie bereits Erfahrung haben und länger auf dem Rad unterwegs sind – sollten keine riesigen Veränderungen in der Sattelhöhe oder dem Nachsitz erwarten. BikeFitting bedeutet also nicht zwangsläufig, alles auf den Kopf zu stellen und das Rad komplett neu zu erfinden, sondern den Klienten individuell zu betrachten und das Gesamtpaket zu optimieren. Schön ist, dass durch die Druckmessplatten oder auch die Daten aus dem Velodrom diese kleinsten Veränderungen validiert werden können, was mir persönlich Selbstvertrauen gibt und Verbesserungen bestätigt. Um hier die besten Ergebnisse zu erzielen sind Experten wichtig, die den jeweiligen Athleten individuell (Erfahrung, Beweglichkeit, Kraft, Distanz etc.) bewerten und behandeln. Außerdem ist der Athlet hinsichtlich seines Fleißes und seiner Akribie gefragt, um die bestmöglichen Voraussetzungen für eine aerodynamisch optimale Position zu schaffen. Eines ist aber auch klar: Die perfekte Position gibt es nicht und die optimale Position zu finden wird immer ein Prozess bleiben. Auch wenn es die bisherigen Klischees bestätigt. To be continued…
Bei Coach Marius läuft's! Wie ein perfekter Wettkampftag für ihn aussieht und was er seinen Athleten für die Off-Season rät, liest du in diesem Blogartikel.
Recovery bedeutet das körperliche & mentale Gleichgewicht nach einer Trainings- oder Wettkampfbelastung wiederherzustellen. Welche Recovery-Strategien es gibt, erfährst du hier.