Übertraining und RED-S: Wenn Training die Leistung schwächt

Als Ausdauersportler trainierst du, um stärker, schneller und ausdauernder zu werden. Doch manchmal passiert genau das Gegenteil – die Leistung sinkt, du fühlst dich erschöpft und unmotiviert. Mitunter liegt die Ursache in einer Überlastung des Körpers, sei es durch zu wenig Erholung, unzureichende Energiezufuhr oder beides. Im schlimmsten Fall entwickeln sich dabei ernsthafte Zustände wie das Übertrainingssyndrom (OTS) oder das Relative Energy Deficiency Syndrome (RED-S). Hier erfährst du, was die beiden Phänomene genau bedeuten, worin sie sich unterscheiden und wie du sie verhindern kannst.

Definition: Was ist Übertraining und RED-S?

Übertraining und RED-S sind zwei Zustände, die sich kein Athlet und keine Athletin wünscht. Beide führen dazu, dass deine sportliche Leistung über einen längeren Zeitraum stagniert oder sogar abnimmt, ohne dass ein offensichtlicher Grund, wie eine Verletzung, eine Erkältung oder eine andere Erkrankung, erkennbar ist.

Beiden gemein ist, dass es sich um Syndrome handelt. Das ist der medizinische Begriff für eine bestimmte Kombination verschiedener Krankheitszeichen. Außerdem sind auch diese Krankheitszeichen, beziehungsweise die Auswirkungen beider Syndrome, ähnlich: reduzierte Leistungsfähigkeit, Erschöpfung und ein beeinträchtigtes Wohlbefinden. Die Ursachen von Übertraining und RED-S sind jedoch andere.

Was ist Übertraining?

Übertraining, auch als Overtraining Syndrome (OTS) bekannt, tritt auf, wenn dein Körper nicht genügend Zeit zur Erholung bekommt. Under-Recovery, also zu wenig Regenerationszeit ist die Hauptursache von Übertraining.

Grundsätzlich durchläufst du bei jeder Trainingseinheit eine Phase der Müdigkeit (Acute Training Fatigue), die normal und gewollt ist. Wenn du deinem Körper jedoch nicht genug Zeit gibst, sich vollständig zu erholen, gerätst du in die Phase des Non-functional Overreaching – eine Überlastung, die langfristig zum Übertrainingssyndrom führen kann.

OTS, ein chronischer, maladaptiver und dysfunktionaler Status – wie es eine Studie aus dem Jahr 2022 beschreibt – kommt einer aktuellen Arbeit im International Journal of Molecular Sciences zufolge bei rund 30 Prozent der nicht Elite-Ausdauersportlern im Laufe des Lebens einmal vor, bei Eliteathleten sogar bei 60 Prozent. Und das Übertrainingssyndrom hat schwerwiegende Auswirkungen auf verschiedene Körpersysteme:

  • Neurologisch/Nervensystem: u. a. Gereiztheit, (Ein-)Schlafstörungen, Antriebslosigkeit, Konzentrationsprobleme
  • Endokrinologisch/Hormonelles System: Verschiebungen im Hormonhaushalt, der Körper schüttet vermehrt Stresshormone aus und der Spiegel an aufbauenden (anabole) Hormonen, die wichtig für eine Leistungssteigerung sind, sinkt.
  • Immunologisch/Abwehrsystem: Bei Übertraining können im Körper chronische Entzündungen entstehen und das Immunsystem belasten und schwächen.
  • Muskulär & Herz-Lungen-System: vorzeitige Muskelermüdung, erhöhte Verletzungs- und Krampfneigung, Risiko von Überlastungsschäden (z. B. Achillessehne), veränderter Ruhepuls und -atmung

Es gibt also viele Anzeichen für OTS, die aber alle auch andere Gründe haben können. Sie sind nicht spezifisch. Das macht die Diagnose von Übertraining zu einer komplexen Herausforderung, sowohl für Athleten als auch für Coaches oder Sportmediziner.

Was ist RED-S?

RED-S ist kurz für Relative Energy Deficiency Syndrome und entsteht, wenn ein Sportler oder eine Sportlerin über einen längeren Zeitraum mehr Energie verbraucht, als er oder sie dem Körper zuführt. Das bedeutet, nach Abzug des Energieverbrauchs durch sportliche Aktivität ist nicht genügend Energie aus der Nahrungszufuhr übrig, um grundlegende physiologische Prozesse aufrecht zu erhalten, wie es in einem 2022 in der Sportärztezeitung erschienenen Beitrag heißt.

Ursprünglich wurde das Phänomen bei weiblichen Athleten als Female Athlete Triad bekannt, die gekennzeichnet war durch ausbleibende Periode, Osteoporose („Knochenschwund“) und gestörtem Essverhalten. Heute ist bekannt, dass auch männliche Athleten von einem langanhaltenden Energiedefizit mit Folgen für verschiedene Abläufe im Körper betroffen sein können.

Bei RED-S schaltet der Körper aufgrund des Energiemangels in einen Sparmodus und fährt nicht überlebenswichtige Prozesse wie Reproduktion oder Wachstum herunter – oder stoppt sie ganz.

Genau wie OTS macht sich auch RED-S in einer Vielzahl verschiedener, nicht spezifischer Symptome bemerkbar, unter anderem

  • Erschöpfung
  • Energiemangel
  • Menstruationsstörungen
  • Stimmungsschwankungen
  • Stagnation der Leistung und verzögerte Regeneration

Was tun bei Übertraining und RED-S?

Sowohl Übertraining als auch RED-S sind schwer zu diagnostizieren, da es keine eindeutigen Marker gibt, die man beispielsweise in einem (großen) Blutbild erkennen könnte. Die Diagnose erfolgt vielmehr durch das Ausschlussverfahren und eine ganzheitliche Betrachtung deines Gesundheitszustands.

Obwohl RED-S und Übertraining immer besser erforscht sind, denken viele Sportmediziner oft nicht gleich an eines der oder beide Syndrome, da die Symptome unspezifisch sind. Entsprechend lange kann es bis zur Diagnosestellung und dem Beginn der Therapie dauern.

Während RED-S relativ gut durch eine Erhöhung der Energiezufuhr und eine ausreichende Versorgung mit Makronährstoffen (Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate) sowie mittels Überwachens von Gewicht und Körperfett korrigiert werden kann, ist OTS schwieriger zu behandeln. Hier spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle: Wie viel Trainingsbelastung verträgt der jeweilige Athlet? Wie schnell erholt sich die Athletin? Welche äußeren Stressfaktoren beeinflussen Sportler oder Sportlerin zusätzlich zum Training – seien es Job, familiäre Verpflichtungen oder andere Herausforderungen des Alltags?

Ein entscheidender Faktor bei der Prävention ist eine enge Zusammenarbeit mit einem Coach. Ein guter Coach strukturiert nicht nur dein Training sinnvoll, sondern hat auch deine Ernährung, deine Erholung und sogar deine mentale Verfassung im Blick. Denn oft sind es nicht nur körperliche, sondern auch psychische und soziale Stressfaktoren, die das Risiko für Übertraining oder RED-S erhöhen.

Indem du regelmäßig mit deinem Coach kommunizierst, kann er deine Trainingsbelastung an deine individuelle Situation anpassen und frühzeitig auf Überlastungssymptome reagieren. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen – eine gute Athleten-Coach-Beziehung muss sich entwickeln, der Coach etwas Zeit bekommen, um dich, dein Umfeld, dein Leistungspotential und deinen Regenerationsbedarf einschätzen zu können. Doch es lohnt sich.

OTS und RED-S: ein vermeidbares Problem

Wenn du langfristig erfolgreich trainieren möchtest, ist es wichtig, nicht nur deine Trainingsbelastung zu steuern, sondern auch auf deinen Energiehaushalt, deine Erholung und deine mentale Verfassung zu achten. Übertraining und RED-S entwickeln sich schleichend, lassen sich jedoch verhindern, wenn du auf deinen Körper hörst, regelmäßig Rücksprache mit deinem Coach hältst und ihm Bescheid gibst, wenn du dich trotz an sich geringer(er) Trainingsintensität über mehrere Tage hinweg müde fühlst und deine Leistung nicht abrufen kannst oder das Gefühl hast, das Training tut dir nicht gut, ist keine Auszeit für den Kopf, sondern ein zusätzlicher Stressfaktor, der die To-do-Liste länger werden lässt. Nur so hat der Coach die Chance, dein Training entsprechend anzupassen und so auf oder umzubauen, dass du deine Leistung nachhaltig steigern kannst, ohne deine Gesundheit zu gefährden, ins Übertraining oder RED-S zu rutschen.

Mehr Informationen zu Übertraining und RED-S bekommst du von HYCYS-Chef Björn Geesmann und Journalist Daniel Beck im Junkmiles-Podcast #71.

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