Die Frühjahrsklassiker:
Was es braucht, um sie zu meistern.

Mit dem Frühling kommt im Radsport die Zeit der großen Eintagesrennen – der Frühjahrsklassiker wie Paris-Roubaix oder die Flandern-Rundfahrt. Was muss ein Radprofi können, um bei diesen prestigeträchtigen Events vorn mit dabei zu sein?

Im März geht es wieder los: Das Eintagesrennen Mailand – San-Remo gehört nicht nur zu den Monumenten des Radsports, sondern läutet als einer der Frühjahrsklassiker die neue Profi-Rennsaison mit ein. Die Frühjahrsklassiker sind für Profiradsportler wie auch für die Radsportfans Höhepunkte der Saison. Diese Eintagesrennen sind Mythen des Radsports, versprechen den Siegern Ruhm und Anerkennung – und erfordern eine spezifische Vorbereitung, die sich deutlich von der für mehrwöchige Rundfahrten unterscheidet.

Die Frühjahrsklassiker gelten für viele Fahrer und Fans als die Rennen der Saison. An diesem einen Tag muss alles passen, sonst ist man als Profi für einen Sieg chancenlos. Wer dagegen bei einer großen Rundfahrt erfolgreich sein will, muss versuchen, mit seinen Energiereserven drei Wochen lang gut hauszuhalten. Kein Wunder, dass es für die Eintagesrennen im Frühjahr Begriffe gibt, wie die Königin der Klassiker – so etwas majestätisches findet sich bei den Grand Tours nicht. Hinzu kommt auch, dass der Mythos der Frühjahrsklassiker sich auch durch die Unwirtlichkeit des Wetters und der Wahl der schwierigen Strecken begründet. Letzteres sind die Bühnen für die sportlichen Dramen, die sich dort abspielen: Der Wald von Arenbeg, der Poggio, die Kappelmuur und der Koppenberg – um stellvertretend nur einige zu nennen – erzeugen bei Fans und Fahrern gleichermaßen Ehrfurcht; gepaart mit Gänsehaut.

Dan Lorang, Director of Coaching & Sports Science beim Team Red Bull – BORA-Hansgrohe, erläutert im Experten-Talk Nr. 4 des Junkmiles-Podcasts (Episode 139): „Man muss sich genau überlegen, was passiert im Radrennen und wie kann ich das trainieren?“ In einem Frühjahrsklassiker muss ein Profi mit Siegambitionen beispielsweise noch in der Lage sein, nach 200 Kilometern oder mehr und dem entsprechenden Energieumsatz für den Schlusssprint „die Muskulatur nochmal maximal zu mobilisieren“.

Auf die Physiologie kommt’s an

Doch was muss ein Hauptdarsteller beziehungsweise Protagonist mitbringen, um bis zum letzten Akt, dem Zieleinlauf, bei solch einem Rennen vorne mit dabei zu sein? Der Profi würde antworten: „gute Beine, eine starke Mannschaft und das Gefühl für den Moment“. Alles richtig, aber davor kommt die Physiologie, um Distanzen von knapp 300 Kilometern zu absolvieren, steile Anstiege hochzuballern, zwischendrin mehrmals zu attackieren und am Ende noch zu sprinten.

„Der Sprinter ist zu unökonomisch – er verbrennt auch schon bei submaximalen Belastungen zu viele Kohlenhydrate aufgrund seiner im Vergleich hohen Laktatbildungsrate.“

Andere Renndynamik, andere Fähigkeiten

Frühjahrsklassiker sind geprägt von intensiven, kurzen Belastungsspitzen, etwa bei steilen Anstiegen oder Kopfsteinpflasterpassagen. Athleten benötigen eine hohe anaerobe Kapazität und Explosivität. Im Gegensatz zu kurzen Sprints führen sie aber über ein- oder mehrere hundert Kilometer am Stück.

Man braucht erst einmal den berühmten großen Motor. Doch was heißt das eigentlich? HYCYS Coach Björn Geesmann hat die Antwort: „Dass man grundsätzlich über eine sehr hohe Sauerstoffaufnahme verfügt. Einerseits ist man dann in der Lage, hohe Leistungen auch über längere Zeiträume zu fahren; andererseits sich davon auch zügig zu erholen.“ Allerdings verfügen auch Top-Sprinter und Klassementfahrer über diese hohe Sauerstoffaufnahme – sind aber nicht oder nur selten in der Lage, diese Rennen zu gewinnen. „Der Sprinter ist zu unökonomisch – er verbrennt auch schon bei submaximalen Belastungen zu viele Kohlenhydrate aufgrund seiner im Vergleich hohen Laktatbildungsrate. Und die fehlen ihm dann, um ihm Finale des Rennens – also den letzten eineinhalb bis zwei Stunden – noch Akzente setze zu können“, so Geesmann. „Der Klassement- beziehungsweise Bergfahrer hat eine zu niedrige Laktatbildungsrate und ist daher gar nicht unbedingt in der Lage, die Explosivität, die für die Zwischensprints und Attacken nötigen über 1.000 Watt und mehr aufs Pedal zu bringen. Er besitzt die glykolytische Fähigkeit ganz einfach nicht, dafür fährt er energiesparender“ erklärt Björn. Bei einem Klassiker muss der Athlet aber relativ oft über kurze Zeiträume von einer halben bis zu drei, vier Minuten mit sehr hoher Intensität fahren und sich danach noch erholen können.

Bei Rundfahrten steht die Ausdauer im Vordergrund. Fahrer müssen über Wochen konstante Leistungen erbringen und sich rasch regenerieren. „Sauerstoffaufnahme und Glykolyse sind hier absolut spielbestimmende Faktoren. Sind die optimal zueinander gestellt, ist – vereinfacht ausgedrückt – die Schwellenleistung des Athleten hoch“, erläutert Björn Geesmann im Junkmiles-Podcast Nr. 1. Der Sportler kann also viel Watt pro Kilogramm Körpergewicht treten und bleibt dabei im Energieverbrauch effizient. Und natürlich ist es für die Leistungsfähigkeit beziehungsweise die Aussicht auf den Sieg (nicht nur) bei einem Klassiker essenziell, dass der Fahrer „nicht fällt und nicht krank wird“, ergänzt Dan Lorang.

Bei einem Klassiker muss der Athlet aber relativ oft über kurze Zeiträume von einer halben bis zu drei, vier Minuten mit sehr hoher Intensität fahren und sich danach noch erholen können. Er braucht also den berühmten großen Motor. Das heißt, er muss grundsätzlich über eine sehr hohe Sauerstoffaufnahme verfügen. Dadurch ist er in der Lage, hohe Leistungen auch über länger Zeiträume zu fahren und sich davon auch zügig zu erholen. Er muss ökonomisch in puncto Kohlenhydratverbrauch sein und eine lediglich mittlere Laktatbildungsrate haben. Denn produziert die Muskulatur mehr Laktat als der Körper weiterverarbeiten kann, häuft es sich an und der Athlet „übersäuert“ (mehr zum Laktat gibt es in diesem Blogbeitrag).

 

Einen auf deine persönlichen Ziele und Fähigkeiten abgestimmten Trainingsplan bekommst du bei HYCYS für Radsport, Laufen und Triathlon.

Das Training auf Wettkampf und Athlet abstimmen

Die unterschiedlichen Charakteristika von Frühjahrsklassikern und Rundfahrten erfordern maßgeschneiderte Trainingsstrategien. Ein tiefes Verständnis der spezifischen Anforderungen jedes Rennformats ist unerlässlich, um Athleten optimal vorzubereiten und ihre Leistungsfähigkeit zu maximieren. Die Kunst des Coachings besteht darin, das Training präzise auf die jeweiligen Rennanforderungen abzustimmen und dabei die individuellen Stärken der Athleten zu berücksichtigen.

Das gilt für Profis, aber auch – und vielleicht noch mehr – für Hobbysportler, die ihr Training in einen vollgepackten Alltag einpassen müssen. Die Zusammenarbeit mit erfahrenen Coaches, die einen maßgeschneiderten Trainingsplan auf Basis des individuellen Zeitbudgets und der ermittelten Leistungswerte erstellen, lohnt sich also.

Das Rennjahr nimmt Fahrt auf

Bei der Flandern-Rundfahrt, die am ersten April -Wochenende stattfindet, kommt dem Gewicht eine etwas größere Rolle zu. Die Hellingen – wie die steilen Kopfsteinpflasteranstiege im Volksmund genannt werden – kosten aufgrund ihrer Steigung dann bei einem Mehrgewicht des Fahrers zusätzlich Körner. Insofern kommt eine Flandern-Rundfahrt einem explosiven Klassementfahrer wie dem dreifachen Tour-de-France-Sieger Tadej Pogačar mehr entgegen als Paris-Roubaix. „In Flandern zählt die Ausgewogenheit aus Leistungsfähigkeit und Muskelmasse beziehungsweise Gewicht“, so Björn.

Zwei Fahrer im Übrigen, die bei beiden Rennen gleichermaßen gut sein können, sind Wout van Aert und Mathieu van der Poel. Sie sind sowohl in der Lage eine relative hohe aerobe Leistung dauerhaft zu erbringen, was sich auch an ihren Zeitfahrqualitäten ablesen lässt, als auch am Ende in Sprints ganz vorne noch mitreinhalten zu können.
Ihr Erfolgsgeheimnis: hohe maximale Sauerstoffaufnahme, mittlere Laktatbildungsrate und ein unglaublicher Renninstinkt.

Wir sind gespannt, wie sich die Athleten schlagen…

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