Studie des Monats: Erholung nach einer Langdistanz

Studie des Monats: Erholung nach einem Ironman

Nach einer Langdistanz ist man erst mal platt. Der Körper ebenso wie der Kopf. Jetzt heißt es: den Erfolg genießen und vor allem erholen, erholen, erholen. Doch wie viel Regeneration ist nötig? Eine Studie hat sich dieses Themas angenommen.

Ein Ironman-Triathlon ist eine extreme sportliche Herausforderung. Die Gesamtdistanz von 226 Kilometern, aufgeteilt auf 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,195 km Laufen, ist für Kopf und Körper gleichermaßen anstrengend. Schon währenddessen, vor allem aber in den Tagen danach, schmerzen die Muskeln und allein der Gedanke an eine Trainingseinheit (oder daran, eine Treppe hinunter humpeln zu müssen) löst wahlweise bleierne Müdigkeit, spontane Abneigung oder beides aus. Ganz klar, nach einer so langen Ausdauerbelastung brauchen Physis und Psyche eine Pause, um sich zu erholen. Aber muss oder sollte sie bei allen Eisenmännern und -frauen gleich lang und ähnlich gestaltet sein? Und woher weiß man, ob man wieder komplett hergestellt ist? Diese Studie des Monats beschäftigt sich mit genau diesen Fragen.

Studienaufbau

2008 veröffentlichten die Wissenschaftler Oliver Neubauer, Daniel König und Karl-Heinz Wagner im „European Journal of Applied Physiology“ eine Untersuchung mit dem Titel „Recovery after an Ironman triathlon: sustained inflammatory responses ans muscular stress“. Zu Deutsch etwa: „Erholung nach einem Ironman-Triathlon: anhaltende Entzündungsreaktionen und Muskelbelastung.“ Die Forscher nahmen von 42 gut trainierten männlichen Athleten zwei Tage vor und sowohl direkt als auch nach einem, fünf und 19 Tagen nach einem Ironman-Wettkampf Blutproben. Sie analysierten anhand selbiger verschiedene Parameter, zum Beispiel das hämatologische Profil, das Plasmavolumen sowie Enzyme wie Myeloperoxidase, ein Marker, der auf Entzündungsprozesse hindeutet, das Stresshormon Cortisol oder das männliche Sexualhormon Testosteron. Die Probanden hatten ein durchschnittliches Alter von 35,3 Jahren, waren im Schnitt 1,80 Meter groß, 75 Kilo schwer, hatten einen Körperfettanteil von 11,5 Prozent und eine VO2-Peak, also den höchsten in einem bestimmten Test erzielten Wert, von 56,6 Millilitern. Durchschnittlich trainierten sie 10,7 Stunden pro Woche: 4,8 Kilometer Schwimmen, 144 Kilometer Rad und 36 Kilometer laufen – klassische Eckdaten für Hobbyathleten, die sich einen Ironman zum Ziel gesetzt haben. Ihre Finisherzeit betrug im Schnitt 10 Stunden 52 Minuten.

Immunabwehr: kurzzeitig in Alarmbereitschaft

Bei den Probanden stellen die Wissenschaftler zu unterschiedlichen Messzeitpunkten verschieden Veränderungen in der Zusammensetzung der Blutproben fest, beispielsweise bei den Leukozyten. Das sind die weißen Blutkörperchen und sie stellen einen wichtigen Parameter in Zusammenhang mit Erholung und Belastung dar. Als Körperpolizei sind sie wichtig für die Immunabwehr. Gibt es Krankheitserreger oder Entzündungsherde zu bekämpfen, steigt die Anzahl an Leukozyten – und in der Studie war sie direkt nach dem Ironman im Vergleich zu vor dem Wettkampf um 237 Prozent höher. Das bedeutet, dass eine Langdistanz die körpereigene Abwehr ähnlich auf Hochtouren laufen lässt wie eine aufziehende Erkrankung. Allerdings dauert dieser Zustand nicht lange an. Nach nicht einmal 24 Stunden hatte sich das Immunsystem zumindest ein Stück weit wieder nivelliert.

Challenge Roth Sebi Kienle

System: im Notfallmodus

Des Weiteren sank bei den Probanden der Testosteronwert um rund 50 Prozent. Dieses männliche Sexualhormon steigt an, wenn man in einen anabolen, also einen körperaufbauenden, Zustand kommt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Muskeln durch Krafttraining wachsen. Dass bei den Triathleten der Testosteronwert so stark sank, lässt darauf schließen, dass sie sich nach dem Wettkampf in einem katabolen, also einem abbauenden, Zustand befanden. Sehr oft sind solche Zustände energetischer Natur, das bedeutet: Über die Renndauer hinweg ist eine negative Energiebilanz entstanden, eine Art Unterversorgung. Die Glykogenspeicher haben sich reduziert, der Körper hat in eine Art Notstatus geschaltet.

Auch der nach dem Ironman um satte 240 Prozent erhöhte Cortisolwert, den die Wissenschaftler feststellten, deutet auf einen katabolen Status hin. Eine höhere Konzentration dieses Stresshormons deutet darauf hin, dass der Körper unter Druck steht, dass er ein Problem hat. Zwar normalisierten sich die hormonellen Veränderungen im Lauf der Studienzeit. Im Vergleich zu den weißen Blutkörperchen brauchten Testosteron und Cortisol aber fünf Tage, also deutlich länger, um sich wieder einzupendeln.

Muskulatur: ziemlich gestresst

Der Grad der Muskelermüdung oder -schädigung lässt sich anhand des Creatinkinase-Werts im Blut ermitteln. Das ist ein Enzym, anhand dessen Konzentration im Blut sich unter anderem Schäden am Muskelgewebe erkennen lassen. Direkt nach dem Wettkampf war dieser Wert um 1.195 Prozent erhöht, bei einigen Probanden um bis zu 4.316 Prozent. Ein Ironman hat also extreme Auswirkungen auf die Muskulatur, die sich teilweise auch 19 Tage nach dem Ironman bei Weitem noch nicht wieder auf den Status vor dem Rennen „zurückregeneriert“ hatten.

Grund hierfür ist vermutlich mechanischer Stress durch die Belastung der Muskulatur im Wettkampf. Vor allem beim Laufen entsteht über lange Zeit eine hohe Intensität – und das führt dazu, dass immer mehr Myofibrillen reißen. Das sind die kleinsten Einheiten der Muskelfaser. Je mehr davon kaputtgehen, desto mehr Entzündungen entstehen, die umso länger anhalten.

Rückschlüsse für die Praxis

Was diese Erkenntnisse nun für Otto-Normal-Athleten bedeuten? Platt gesagt, dass es den körperlichen Vor-Wettkampf-Zustand innerhalb von einer bis drei Wochen wiederherstellen sollte, wenn man nach einer Langdistanz zusieht, dass man die Glykogenspeicher wieder füllt und intensive Einheiten eine Weile weglässt. Nicht zu vergessen ist aber auch die mentale Komponente. Hier kann es deutlich länger dauern, bis man sich wieder bereit für (intensive) Einheiten oder einen Wettkampf fühlt.

Regeln gibt es in diesem Fall nicht, also hört auf euren Körper, euren Kopf und erzwingt nichts. Wer auf Nummer sicher gehen will: Eine professionelle Trainingsbegleitung hilft, körperliche und geistige Überlastung zu vermeiden.

Ich möchte mit einem Coaching starten!

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HYLITES: Gregor Eichhorn

Gregor ist seit 2015 bei HYCYS und bringt dort jedes Jahr seine Athleten zu neuen Höchstleistungen. Und auch als Sparringspartner für seine Kollegen ist er gefragt.