Wenn wir schlafen, tun wir nur scheinbar nichts. In unserem Körper laufen in dieser Ruhephase viele wichtige Prozesse ab. So werden zum Beispiel die Zellen repariert, das Immunsystem bekämpft Entzündungen, Wunden heilen und das Gehirn verarbeitet die Eindrücke des Tages. Schlaf, so schreibt die Sportärztezeitung, „terminiert die kognitive und motorische Leistungsfähigkeit. Je erholsamer der Nachtschlaf, desto wahrscheinlicher sind sportliche Höchstleistungen bzw. positive Anpassungserscheinungen des Organismus“. Und nicht nur das: Eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2022 deutet darauf hin, dass sich die Schlafdauer auch aufs Körpergewicht auswirkt.
Schlank im Schlaf: Das Studiendesign
Die Studie, der sich HYCYS-Chef Björn Geesmann im Junkmiles-Podcast Nr. 88 widmet, untersuchte den Einfluss der Schlafdauer auf Energieaufnahme und -verbrauch der Probandinnen und Probanden. 80 Erwachsene, Männer und Frauen zwischen 21 und 40 Jahren, nahmen an der Studie teil. Alle hatten einen Body-Mass-Index (BMI) zwischen 25 und 29,9, sie waren also übergewichtig, aber nicht adipös; und alle schliefen in ihrem normalen Alltag durchschnittlich weniger als 6,5 Stunden pro Nacht.
Auch wenn die benötigte Schlafdauer individuell ist, legen verschiedene Quellen, darunter eine britisch-chinesische Studie aus dem Jahr 2022, nahe, dass ungefähr sieben Stunden optimal seien, wenn es um, so schreibt das Ärzteblatt, „kognitive Leistungsfähigkeit, das allgemeine Wohlbefinden und die psychische Gesundheit (…)“ gehe.
Nach einer ersten Beobachtungsphase von zwei Wochen wurden bei eingangs genannter Studie mit dem Titel „Effect of Sleep Extension on Objectively Assessed Energy Intake Among Adults With Overweight in Real-life Settings“ die Probanden in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe sollte weiterhin wie gewohnt schlafen, die andere sollte ihre Schlafdauer auf 8,5 Stunden erhöhen – bei unveränderter Ernährung und körperlichen Aktivität. Diese Gruppe bekam Expertentipps zur Schlafhygiene, also zur Optimierung ihres Schlafumfeldes, die Kontrollgruppe nicht.
Was ist der BMI?
Der Body-Mass-Index, kurz BMI, ist ein gängiger Indikator zur Bewertung des Körpergewichts. Er berechnet sich aus dem Verhältnis von Körpergewicht (in Kilogramm) zur Körpergröße (in Metern zum Quadrat).
Der BMI liefert jedoch nur bedingt Aufschluss über die körperliche Verfassung eines Menschen, da er wichtige Faktoren wie die Verteilung von Muskel- und Fettmasse, Geschlecht oder Alter nicht berücksichtigt. Gerade bei Athletinnen und Athleten liefert er deshalb leicht irreführende oder wenig aussagekräftige Ergebnisse, denn Muskulatur wiegt mehr als Fett – der BMI kann also im schlechtesten Fall auf Übergewicht hindeuten, obwohl gar keines vorliegt. Als grober Richtwert, um das Körpergewicht einfach und schnell einzuordnen, ist der BMI aber durchaus nützlich.
Welchen Einfluss hat die Schlafdauer auf Stoffwechsel und Gewicht?
Das Besondere an dieser Studie: Sie fand nicht in einem Forschungs- beziehungsweise Laborsetting statt. Die Probandinnen und Probanden blieben zu Hause und lebten ihren normalen Alltag weiter – es gab weder Schlafmasken noch Blutabnahmen noch mussten Ernährungstagebücher geführt werden. „Aus eigener Erfahrung von vielen Jahren Coaching im Triathlon und Radsport kann ich sagen, dass sich, sobald es um das Thema Ernährungstagebuch geht, meistens schon beim Ausfüllen das Problem löst“, sagt Björn Geesmann im Junkmiles-Podcast. Soll heißen: „Wenn ich die Tüte Gummibärchen aufschreibe und sehe, wie viele Kalorien die hat, lasse ich die weg. Und das wäre im Fall dieser Studie eine ganz klare ,Beeinflussung‘ gewesen.“
Statt also die Energiezufuhr der beiden Testgruppen zu erfassen, monitorten die Studienautoren den Energieverbrauch. Dazu nutzten sie die „Doubly Labeled Water“-Methode. Das ist eine der genauesten Methoden zur Erfassung des Energieverbrauchs, bei der Wasser mit stabilen Isotopen markiert ist. Das sind verschiedene Atomarten desselben chemischen Elements. Diese werden entweder über den Urin oder das ausgeatmete Kohlendioxid ausgeschieden. Je nach Geschwindigkeit der Ausscheidung lässt sich der Energieumsatz berechnen – und zwar einerseits sehr genau, andererseits aber auch, ohne dass die Wissenschaftler während des Studienzeitraums in den Alltag der Testgruppen eingreifen mussten.
Mehr Schlaf, weniger Kalorien
Das Ergebnis: Die Probanden, die länger schliefen, nahmen im Durchschnitt 270 Kilokalorien weniger pro Tag zu sich als die Kontrollgruppe. Ohne dass sie ihre Bewegungs- oder Essgewohnheiten änderten, entstand durch das Mehr an Nachtschlaf ein Kaloriendefizit, das ihnen helfen könnte, Gewicht zu verlieren. „Man könnte sagen, dass in dieser Studie jede Stunde mehr Schlaf über den Verlauf hinweg eine Reduktion der Energiezufuhr von 162 Kilokalorien pro Tag gebracht hat“, fasst Björn Geesmann zusammen.
Die Studienautoren vermuten, dass der Zusammenhang zwischen Schlaf und Kalorienaufnahme unter anderem mit der Regulation von Hungerhormonen wie Leptin und Ghrelin zusammenhängt. Während Leptin das Sättigungsgefühl verstärkt, steigert Ghrelin den Appetit. Schlafmangel scheint die Ausschüttung dieser Hormone aus dem Gleichgewicht zu bringen und kann so zu einem erhöhten Appetit und Heißhunger führen. Zusätzlich kann Schlafmangel die Entscheidungsfindung beeinflussen: Wer müde ist, greift eher zu kalorienreichen Lebensmitteln.
Was bedeutet das für Ausdauersportler?
Für Ausdauersportlerinnen und -sportler bedeutet diese Studienerkenntnis, dass ausreichender Schlaf nicht nur für die Regeneration und Leistungssteigerung, sondern auch für das Gewichtsmanagement von Bedeutung ist. Schlaf ist kein notwendiges Übel, an dem als Erstes gespart werden sollte, wenn die Zeit fürs Training mal wieder knapp wird. Vielmehr ist Schlaf ein Leistungsbooster. Zum einen wegen der regenerativen Prozesse, die im Körper ablaufen. Zum anderen, weil Schlaf anscheinend auch eine Rolle in Sachen Gewichtsmanagement spielt.
Aber, so betont Björn Geesmann: „Es geht dabei keinesfalls um eine übertriebene Selbstoptimierung, sondern um eine bewusste Entscheidung für eine Balance zwischen Aktivität und Regeneration.“