Saisonpause und Detraining – Ein Überblick

Detraining ist der wissenschaftliche Begriff für eine bewusste, gewollte und deutliche Reduzierung des Trainings. In der Regel geschieht das in der Jahresperiodisierung in der Saisonpause, nach dem letzten Wettkampf. Diese Form des Detrainings in der Saisonpause ist deutlich abzugrenzen von dem Detrainings-Syndrom. Hierbei handelt es sich um ein Krankheitsbild, welches durch unfreiwilligen Trainings-Stopp hervorgerufen wird. Dies geschieht etwa bei schweren Verletzungen oder am Karriereende. Das Detrainings-Syndrom geht mit zahlreichen negativen Effekten einher, wie vermindertem Hungergefühl, vermehrtem Schwitzen und mentaler Abgeschlagenheit bis hin zu Depression.

Was passiert beim Detraining? Die Studienlage

Die von Yun-Tsung Chen et al. im Februar 2021 im European Journal of Sports Science veröffentlichte Studie “Two weeks of detraining reduces cardiopulmonary function and muscular fitness in endurance athletes” untersuchte die Auswirkungen von zweiwöchigem Detraining auf die Herz-Lungen-Funktion und die muskuläre Fitness bei 15 ausdauertrainierten männlichen Sportlern im Alter zwischen 19 und 26 Jahren. Dabei wurden die VO2max, die Trainingszeit bis zur Erschöpfung, das maximale Schlagvolumen SVmax, die maximale Herzfrequenz HRmax, sowie die isokinetische Muskelkraft und Muskelausdauer vor und nach 2 Wochen Trainingspause gemessen.

Das kurzfristige Detraining führte zu einer signifikanten Abnahme der VO2max, um 1.03 bis 3.77 ml/kg/min und des SVmax um 2.50 bis 8.96 ml. Zudem nahm die Trainingszeit bis zur Erschöpfung und die isokinetische Kniestreckerkraft ab, es kam jedoch nicht zu verringerter isokinetischer Kniebeugekraft oder Muskelausdauer. Die maximale Herzfrequenz und Körpermasse stiegen signifikant an, während der Körperfettanteil nach dem Detraining stabil blieb. Weiterhin wurden signifikante Korrelationen zwischen VO2max und SVmax sowie zwischen VO2max und Kniestreckerstärke identifiziert.

Die Ergebnisse legen nahe, dass 2 Wochen Detraining die kardiopulmonalen Funktionen wohl aufgrund der Abschwächung hämodynamischer und neuromuskulärer Anpassungen reduzieren. Darüber hinaus beobachteten die Wissenschaftler, dass kurze Detrainingsphasen bei Ausdauerläufern die Muskelmasse zu erhöhen und die Muskelausdauer zu erhalten schienen. Die Verringerung der kardiopulmonalen Funktion ist mit einer Abschwächung der hämodynamischen und muskulären Anpassungen verbunden.

Längere Pausenzeiten führen laut einer Studie von Sara Maldonado-Martín et al. zu erheblichen Leistungseinbußen. Die 2016 im Journal of Sports Sciences veröffentlichte Studie untersuchte die Effekte einer fünfwöchigen Trainingspause auf die Leistungsfähigkeit von Radprofis im Alter von durchschnittlich 20 Jahren. Die zehn Probanden wurden dabei unter anderem hinsichtlich ihrer Gewichtszunahme, der maximalen Sauerstoffaufnahme sowie ihrer anaeroben Schwellenleistung in Watt pro Kilogramm Körpergewicht getestet. Die Studienteilnehmer nahmen in den fünf Wochen absoluter Pause durchschnittlich um 2,3 Prozent an Körpermasse zu. Weitaus gravierender fielen jedoch die Leistungseinbußen aus. Der VO2max-Wert der jungen Radsportler sank um 10,8 Prozent von 78,5 Millilitern Sauerstoff pro Minute und Kilogramm Körpergewicht auf durchschnittlich 69,9. Der Rückgang der anaeroben Schwellenleistung betrug 0,6 Watt pro Kilogramm von 4,9 W/kg auf 4,3 W/kg.

Physiologische Auswirkungen des Detrainings

Physiologisch gesehen hat das Detraining auf vier entscheidende Systeme Auswirkungen:

  1. VO2max
  2. Metabolisches System
  3. Muskulatur
  4. Hormonhaushalt

Die Abnahme der VO2max geht in der Trainingspause recht schnell. Schon nach 1 bis 2 Wochen ist der respiratorische Quotient RQ erhöht. Der RQ gibt das Verhältnis zwischen gebildetem bzw. abgeatmetem CO2 und dem vom Körper aufgenommenen O2 wieder. Es wird weniger Sauerstoff aufgenommen und dieser wird zudem weniger effizient verarbeitet. Grund hierfür sind unter anderem, dass sich das Blutplasma und Gesamtblutvolumen verringern. Bei längerer Pause – über mehr als zwei Wochen – nimmt die Mitochondriendichte und -anzahl zudem deutlich ab. So kann der Sauerstoff, der an der Muskelzelle ankommt, schlechter in Energie umgewandelt werden.

Auch die Abbauprozesse des metabolischen Systems werden schnell in Gang gesetzt. Schon nach etwa fünf Tagen ohne Trainingsreiz reduziert sich die Kapazität der Glykogenspeicher und die Transportfähigkeit des verfügbaren Glykogens. Man hat weniger Energie zu Verfügung und kann diese zudem weniger effizient nutzen. Denn die Insulinreaktivität verändert sich, also alle Faktoren, die daran beteiligt sind, die Glykogenspeicher zu füllen und nutzbar zu machen. Die Insulinreaktivität hilft dabei, die Kohlenhydrate in das Blut zu übertragen und aus dem Blutglukoseanteil das von den Muskeln benötigte Glykogen umzuwandeln.

Die Herzfrequenz ist schon nach wenigen Tagen deutlich erhöht. Dies liegt auch am Rückgang des Blut- und des Schlagvolumens. Um die Muskulatur mit genügend Sauerstoff zu versorgen muss das Herz bei geringerem Blutvolumen schneller schlagen.

Der erhöhte Energieverbrauch beim Training liegt an der verringerten Glykogen-Speicherkapazität, aber auch an der – relativ gesehen – höheren Belastung bei gleicher Geschwindigkeit. Da der Körper nach der Pause bei gleicher Geschwindigkeit schneller die Energie aus einem größeren Anteil des Kohlenhydratstoffwechsels, statt aus dem Fettstoffwechsel gewinnen muss, sind eben diese Speicher schneller leer.

Die Muskelmasse verliert während einer Saisonpause im Normalfall nicht an Volumen, aber die Kapillardichte und oxidative Enzymaktivitäten werden reduziert. Zudem verschlechtert sich die sportartspezifische intra- und intermuskuläre Koordination nach einiger Zeit. Da dies jedoch im Normalfall nicht innerhalb weniger Wochen geschieht ist dieser Effekt nahezu vernachlässigbar. Auch Kraftleistungsrückgänge sind zunächst nur begrenzt.

Hormonelle Veränderungen umfassen eine verminderte Insulinsensitivität und eine Umkehrung kurzfristiger trainingsinduzierter Anpassungen in Flüssigkeits-Elektrolyt-regulierenden Hormonen.

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Warum sollte man trotz Formverlust eine Saisonpause machen?

Man muss ganz klar sagen: aus physiologischer Sicht gibt es viele Gründe gegen die Saisonpause und nur wenige dafür. Der Aspekt, der allerdings eine Saisonpause rechtfertig und der häufig vergessen wird ist: die Psyche.

Vom Hobbysportler bis hin zum Profiathleten trainieren viele über Monate hinweg sehr diszipliniert, verfolgen eine genaue Trainingsstruktur. Dies geht von der Saisonplanung und der Festlegung der Wettkampfhöhepunkte bis hin zur detaillierten Tagesplanung. Bei Profisportlern kommen der Reisestress und der Erfolgsdruck als psychisch belastende Faktoren hinzu. Bei Hobby- und Amateurathleten ist es meist das komplexe Zusammenspiel von Beruf, Familie und Sport, das den Athleten mental extrem viel abverlangt. Die mentale Komponente ist in der Saisonpause also ausschlaggebend. Man sollte die Wochen nach den letzten Wettkämpfen nutzen, um sich zu erholen. In dieser Zeit sollte man sich nicht dauernd mit dem Sport beschäftigen und sich keine festen Trainingsrhythmen auferlegen.

Wandern Alternativsportart

Wie sollte die Saisonpause gestaltet werden?

Die Saisonpause sollte vor allem eins sein: Frei von Planung.

Man darf und sollte sich natürlich auch in dieser Zeit sportlich betätigen. Bereits eine im Jahr 2001 im British Journal of Sports Medicine erschiene Studie zeigte, dass bei Amateurradsportlern schon ein relativ geringes Trainingspensum von 6 Stunden pro Woche, aufgeteilt in zweistündige Einheiten, über einen Zeitraum von 3 Wochen ausreicht, um die sportliche Leistungsfähigkeit beizubehalten. Die Studienteilnehmer zeigten weder Leistungseinbußen in einem Rampentest, noch verschlechterte sich ihre VO2max. Die sportliche Aktivität kann in der Saisonpause ohne geplante Intervalle, ohne Leistungsüberwachung durch Powermeter oder Herzfrequenzmessung stattfinden. Erlaubt ist alles, was Spaß macht. Als Alternativsportarten bieten sich etwa Wandern, Mountainbiken oder Gravel, Skilanglaufen beziehungsweise Rollerski, aber auch Yoga an.

Wie lange sollte die Saisonpause ausfallen?

Viele Athleten haben ein Problem damit, überhaupt loszulassen, ohne durchstrukturierten Trainingsplan den Tag zu beginnen. Die „Off-Season” ist aber genau dazu da. Wie bereits erwähnt, man kann hier einfach mal den Kopf frei bekommen und sich mit anderen Dingen beschäftigen. Die Frage nach der Pausenlänge ist dabei auch sehr individuell. Es kommt darauf an, wann du wieder bereit bist, wann die Motivation für die nächste Saison wieder voll da ist. Wie lange die Pause sein darf, hängt vor allem von den mentalen Faktoren ab.

Um einen groben Rahmen zu stecken: Wer als Hobbytriathlet die ganze Saison über ein Trainingspensum von ca. 12 bis 15 Stunden pro Woche abspult und das neben einem Vollzeitjob, der muss eine Saisonpause machen. Diese sollte dann auch deutlich länger als 2 Wochen ausfallen. Profitriathleten, die 3 Ironmans in der Saison absolviert haben und dazu noch Vorbereitungswettkämpfe etc. hatten, machen durchaus auch mal 6 bis 8 Wochen Saisonpause. Auf der anderen Seite braucht man als Hobbyathlet, wenn das Training sowieso oftmals über längere Zeit unterbrochen wurde und man im Herbst wieder mehr Zeit für das Training hätte, keine 3 Monate Saisonpause zu machen. In diesem Fall würde es sich etwa anbieten, im Herbst einen ordentlichen Trainingsaufbau durchzuführen. Man kann bei Bedarf dann im Winter – beispielsweise um Weihnachten – eine verkürzte Trainingspause einzulegen.

Gravel Alternativsport

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