BikeFitting PRO AERO: Die Basics
Dass Bike und Fahrer eine Einheit bilden, ist aus zwei Gründen wichtig: Zum einen, damit du schmerzfrei auf dem Fahrrad sitzt. Gerade in einer tiefen, aerodynamischen Position kann beispielsweise der Nacken verkrampfen. Auch der Genitalbereich kann wehtun oder taub werden, weil der Druck beim typischerweise in Aeroposition nach vorn gekippten Becken hauptsächlich auf diesem kleinen Bereich lastet. Zum anderen sorgt eine harmonisch-nahtlose Verbindung zwischen Bike und Körper dafür, dass du windschnittiger unterwegs bist. Das bedeutet, du bist bei gleicher Leistung schneller.
Ein professionelles BikeFitting ist deshalb darauf ausgelegt, eine komfortable, aerodynamische Einheit zwischen Mensch und Maschine herzustellen. Bei unserem BikeFitting PRO AERO schauen wir uns deine Sitzposition mit Fokus auf aerodynamisches Potenzial an und geben konkrete Handlungsempfehlungen. Das ist besonders interessant für Einzelzeitfahrer oder Triathleten. Das BikeFitting PRO AERO kann als Optimierung für einen selbst stehen oder als Basis für eine weitere Aero-Optimierung auf der Radbahn oder in unserem neuen „THE AEROW“-Windkanal dienen.
Höre hier in den Expertentalk mit Jonas & Daniel: Junkmiles Expertentalk #1: die Liebesbeziehung von Aero-Molekülen
Messtechnik und Ziele
Pre-Fit am Athleten
Bevor unsere Bikefitter sich deine Sitzposition anschauen, ermitteln sie zunächst einmal deine körperlichen Voraussetzungen: Hast du irgendwo Schmerzen in Bewegung oder eine alte Verletzung? Wie flexibel bist du – und wie stabil ist dein Rumpf? Dieser Schritt geschieht über ein Gespräch und anschließende Bewegungstests, die unseren Fittern schon einmal erste Anhaltspunkte geben, wo sie bei deiner Sitzposition ansetzen können, wie viel Positionsspielraum sie haben und worauf sie achten müssen.
Schon hier sind beträchtliche Unterschiede feststellbar. Natürlich, weil jeder Athlet und jede Athletin andere Voraussetzungen mitbringt – manche davon, zum Beispiel die Beweglichkeit, kann sich sogar innerhalb der Saison ändern. Aber auch die jeweilige Disziplin spielt eine Rolle bei der Einstellung der Aeroposition. Während Zeitfahrspezialisten nämlich die Position „nur“ über eine bestimmte Raddistanz halten müssen, können wir hier der Aerodynamik die Hauptrolle geben.
Triathleten dagegen müssen nach dem Radpart noch laufen, das heißt, neben der Windschnittigkeit spielt auch der Komfort eine Rolle. Mit verkrampften Muskeln und müden Beinen läuft es sich schließlich nicht sonderlich gut. Aber: Triathleten haben aufgrund der drei Sportarten, die sie trainieren, oft eine besser bewegliche hintere Muskelkette als reine Radsportler und eine etwas bessere Hüftrotation, was wiederum für die Entwicklung der Aeroposition vorteilhaft ist.
Pre-Fit am Bike
Nach dem Athleten nehmen sich unsere Bikefitter das Fahrrad vor. Sie schauen sich deine aktuelle Radeinstellung an und messen das Verhältnis der einzelnen Kontaktstellen zwischen dir und dem Bike. Das sind bei Zeitfahr- und Triathlonräder vier Punkte: Pedale, Sattel, Basebar und Zeitfahrlenker inklusive Armschalen. Da das gesamte Fahrergewicht auf diesen für sich genommen recht kleinen Bereichen liegt, ist es wichtig, dass hier alles stimmt. Und mit „alles“ ist gemeint: Winkel, Längen und Längenverhältnisse, zum Beispiel in Form von Sitzhöhe, Sattelüberhöhung, Sitzlänge und zeitfahrspezifisch auch der Abstand zwischen den beiden Armpads oder die Länge der Aerolenker-Extensions.
All das zu erfassen und in die Sitzpositionsoptimierung einzubeziehen ist wichtig, um zu verhindern, dass an einer Stelle zu viel Druck entsteht oder muskuläre Dysbalancen für Muskelverspannungen sorgen beziehungsweise bestimmte Sitzpositionen gar nicht erst zulassen.
Du möchtest mehr über die Sitzpositionen, Aero-Gains und Besonderheiten bei Frauen wissen ? Und warum diese sogar eher als Männer für aggressive Positionen gemacht sind? Dann hör hier in die Junkmiles Folge #97
Technologiegestütztes BikeFitting auf dem Rad
Bewegungsanalyse und Vermessung
Mit den Informationen vom PreFitting geht es aufs Rad – und zwar auf dein eigenes, das wir in unserem Labor auf eine Rolle setzen. So ist sichergestellt, dass die individuell beste Aeroposition, die wir zusammen mit dir finden, auf und mit dem Bike funktioniert, das du später in Training und Wettkampf auch fahren wirst.
In einem ersten Schritt wird mit der aktuellen Position eine Baseline erstellt. Dafür nehmen wir dich in der Tretbewegung mit mehreren Videokameras aus verschiedenen Winkeln auf (Front, Seite). Wir erfassen deine persönlichen Bewegungsmuster und analysieren sie mittels einer speziellen Software. In der Regel findet die Baseline-Messung statt, ohne dass wir dich darüber informieren, dass jetzt gemessen wird. So verhindern wir, dass du deine Haltung stark korrigierst, um „es besonders gut zu machen“. Uns geht es schließlich darum, einen möglichst realistischen Eindruck davon zu bekommen, was an den Kontaktstellen passiert.
Die Baseline-Messung gehen unsere Fitter nach der Analyse mit dir am PC durch, erläutern dir die Vielzahl an erfassten Parametern wie Kraft, Druck, Fläche, Kraftangriffspunkt oder verschiedene Winkel. Unsere Experten helfen dir, die Informationen einzuordnen und zeigen dir Potenziale zur Aerooptimierung auf. Zur Baseline des PRO AERO-Fittings gehören unter anderem:
- Stabilität im Sattel über eine längere Zeit: Wer in Aeroposition ständig nach vorn rutscht und sich wieder nach hinten drücken muss, verpulvert wertvolle Kraft am Pedal und sorgt für mehr Turbulenzen in Punkto Aerodynamik
- Centre of Pressure Foot (CoP): Das Centre of Pressure ist das Resultat des aufgezeichneten Druckbilds und zeigt uns wo du auf dem Pedal die Kraft überträgst (das gleiche Prinzip gibt es auch für den Sattel für die Beurteilung der Stabilität). Der Druck sollte sich möglichst gleichmäßig über den Ballen verteilen, da Druckspitzen (insbesondere im lateralen Bereich (Fußaußenkannte) zu Kribbeln und tauben, einschlafenden Füßen führen können. Eine geänderte Cleatposition, kann den Schwerpunkt und damit den maximalen Druckwert merklich verändern.
- Tretmuster/Kraftübertragung: Wenn du unrund trittst, zum Beispiel, weil dein Sattel zu hoch eingestellt ist und du mit der Hüfte bei jedem Tritt zur Seite kippst, verschwendest du Energie, die du besser für Vortrieb nutzen könntest. Deshalb analysieren wir bei einem Aerofitting auch Trittmuster und Pedalkraft. In den Kraftkurven können wir Auffälligkeiten aufzeigen und durch gezielte Einstellungen am Sattel oder Cleat optimieren, um den Kraftverlust zu reduzieren
Fitentscheidung und Evaluation
Mittels Pre-Fit, Baseline-Messung und der erkannten Bewegungsmuster können unsere Bikefitter die ersten Fitentscheidungen treffen. Das heißt, sie nehmen erste Anpassungen vor, die ihrer fachkundigen Meinung nach, deine Gesamtposition verbessern, Druckstellen verringern, den Komfort erhöhen oder alles zusammen.
Nach der Anpassung messen wir in einer weiteren Analyserunde die Kontaktstellen nochmals durch, schauen, ob die gewünschten Veränderungen eingetreten sind, und wenn ja, wie stark und ob das auf Kosten anderer Werte ging. Natürlich fragen unsere BikeFitter dich auch nach deinem Gefühl, dein ehrliches Feedback ist eine wertvolle Komponente auf dem Weg zur individuell besten Aeroposition. So gehen wir Schritt für Schritt, Veränderung für Veränderung, Evaluierung für Evaluierung vor, bis wir eine Position gefunden haben, bei der unsere Analysetabellen, vor allem aber du, den Daumen hoch gebt.
Exkurs: 10 Jahre Aeroentwicklung bei HYCYS
Post-Fit: Nach dem Fitting ist vor dem Fitting
Status quo erfassen
Nach dem Fitting auf der Rolle erfassen unsere BikeFitter die finalen Positionsdaten des PRO AERO-Fittings. Diese bekommst du mit nach Hause, damit du dein Bike immer wieder neu so einstellen kannst, wie wir es für dich ermittelt haben – zum Beispiel, wenn du dein Bike mal für eine Reise ins Trainingscamp oder zu einem Wettkampf auseinanderbauen musst. Es ist trotzdem ratsam sich eigene Referenzpunkte zu setzten und zusätzliche Maße aufzunehmen.
Außerdem erstellt dein Fitter einen Report mit ausführlichem Vorher-/Nachher-Vergleich inklusive Druckbildern, Kraftkurven und Videobildern. Positionsdaten und Report bilden die Basis, wenn du deine Aeroposition im Windkanal weiter optimieren möchtest. Ist das der Fall, erstellen unsere Fitter zudem eine sogenannte Run List mit Handlungsempfehlungen, in der festgehalten wird, was im Windkanal nochmals speziell getestet werden sollte.
Fitting-Prozess und „Hausaufgaben“
Eine Aeroposition ist nichts, was man einmal einstellt und dann auf alle Ewigkeit fährt. Sie verändert sich, manchmal schon während einer Saison. Zum Beispiel, weil der Fahrer flexibler wird oder die Haltungsschulung so gut umgesetzt wird, dass eine Nachjustierung möglich ist. Die Veränderungen sorgen dafür, dass du noch energiesparender unterwegs bist und sich im Fitting mehr Möglichkeiten für eine weiterführende Aerooptimierung eröffnen, motivieren wir dich sogar aktiv dazu, an deiner Beweglichkeit und Stabilität zu arbeiten. Soll heißen: Dein BikeFitter gibt dir individuelle Tipps und Übungen für deine aktuellen „Schwachstellen“ mit.
Zu deinen Hausaufgaben gehört es übrigens auch, immer wieder mal mit uns Rücksprache zu halten, wie du mit der neuen Aeroposition zurechtkommst. Denn uns geht es nicht darum, möglichst viele Athleten möglichst schnell durch unser PRO AERO-Fitting zu schleusen. Wir möchten sichergehen, dass jeder, der zu uns kommt, mit einer Sitzposition geht, mit der er (nach einer gewissen Eingewöhnungszeit) auch zurechtkommt und wollen sie mit dir weiterentwickeln.
Hast du dich mit der neuen Aeroposition angefreundet und möchtest sie im Windkanal weiter verbessern, stimmt sich dein BikeFitter mit unserem Biomechanik- und Aerodynamikexperten Jonas Kraienhorst ab, der sich dann konkrete Punkte genauer ansehen und dort ansetzen kann.
Wir blicken zurück auf 10 Jahre Aerotesten: Jonas hat in der letzten Junkmiles Folge mit Björn über die Anfänge und Entwicklungen der letzten Jahre gesprochen. Und über die teils sehr populären Tests mit Profi-Triathlon Lionel Sanders. Hört hier rein >>>