Marcus Baranskis Bericht vom King of the Lake

Marcus Baranski müssen wir bei uns ja fast gar nicht vorstellen. Schließlich ist Marcus schon so lange HYCYS Sportler, dass wir ihm sogar ein eigenes Athletenprofil auf unserer Website gewidmet haben.

Nach einem kleinen Bericht über den Zweitplatzierten Felix Hermanutz, einer Übersicht einiger weiterer HYCYS Athleten sowie einem Beitrag über Alexandra Krenmayr wollen wir mit Marcus die Reihe unserer Beiträge zum diesjährigen King of the Lake abschließen.

Da Marcus nicht nur feste treten und aerodynamisch sitzen, sondern zudem auch schreiben kann, möchten wir euch seinen persönlichen Erfahrungsbericht vom KOTL nicht vorenthalten. Weitere Beiträge von Marcus sowie seinen Shop mit einigen Zeitfahr-Hacks findet ihr hier.

Marcus Baranski beim King of the Lake

Am Samstag war es nun endlich soweit am Attersee, das Highlight aller Zeitfahrer stand an: der „King of the Lake“, kurz KOTL oder ganz einfach die Mutter aller Zeitfahren. Volle 47 Kilometer auf einer großen Runde auf abgesperrten Straßen.

Los ging die Expedition aus Hamburg nach Österreich für uns schon wieder am Donnerstag. Die knapp 1.000 Kilometer ins Salzkammergut sind per Auto mal nicht so einfach auf einer Arschbacke zu wuppen und entsprechend gegrillt fühle ich mich am Folgetag immer erstmal. Den Freitag ging es deshalb auch nur „locker“ in eine Vorbelastungsfahrt und danach noch eine Runde „locker“ mit Michael Richter von Specialized um den See zum Strecken-Check. Die Jungs aus Morgan Hill beziehungsweise Holzkirchen hatte ich Anfang des Jahres als einen der Hauptsponsoren an Land ziehen können und dankenswerterweise sind sie auch in den ganzen Corona-Wirren bei ihrer Zusage geblieben.

Aus zweimal „locker“ an einem Vormittag wurden am Ende doch wieder über drei Stunden und nachmittags wurde nochmal ausgiebig ausgeruht. Weil Samstag sollte es ja so richtig zur Sache gehen. Erstmalig wollte ich endlich die eine Stunde für die 47 Kilometer knacken. Und dann waren da dieses Jahr so viele und so hochkarätige Starter angemeldet, die das auch alle wollten und die alle so richtig die Messer gewetzt hatten – weil ja sonst so gut wie nichts war an Rennen dieses Jahr. Die Luft flimmerte also vor Spannung. Und die Sonne schien auch wie immer da unten ganz wunderbar auf den See in karibiktürkis.

Meine Vorbereitung der letzten Wochen fühlte sich gut an, und ich hatte es sogar geschafft, etwas Gewicht zu verlieren. Meiner Meinung nach, weil ich seit Monaten einfach kein Fleisch mehr esse. Meine bessere Hälfte hingegen meint, ich hätte auch weniger Bier getrunken diesen Sommer und die hat ja meistens recht. Naja, vielleicht war es ja die Kombi aus Currywurst und IPA im Mangelzustand.

Was ich in diesem Zusammenhang auf jeden Fall mal rauslassen kann als Tipp für ein dann gezieltes Carbo-Loading vor dem Wettkampf, sind diese knapp-500-Gramm-Eimer „Karamel Sutra Core“ Sahneeis von Ben & Jerry´s, die man prima am Stück weglöffeln kann. Danach gelingt das Nickerchen gleich nochmal besser. Ein Pint (!) mit 465 ml hat satte 1.080 Kilokalorien. Keine Ahnung, wieviel das in Haribo ist, aber von der Menge würde mir vermutlich wieder übel werden. Und einen Reizmagen hatte ich die ganzen Tage vorm Rennen auch schon so – vor Nervosität.

Freitag ging es abends noch kurz zum Kick-Off der Atterbiker und da erzählte deren Obmann Erwin dann nochmal im Detail, wie haarscharf das Rennen auch auf den letzten Drücker noch vor der Absage stand. Wäre es eine Woche später angesetzt gewesen, dann wäre es das gewesen auf ganzer Linie – und wir hätten dieses Jahr keinen KOTL gehabt.  Das ganze Orga-Team hat in den letzten Wochen nächtelang damit verbracht, Hygiene- und andere Konzepte immer wieder den aktuellen Bestimmungen anzupassen und den Behörden vor Ort klarzumachen, dass es kaum etwas Geeigneteres zum Social Distancing gibt, als Einzelzeitfahren an der frischen Luft. Maßgeblich daran beteiligt war auch wieder der Notarzt, der mich vor drei Jahren so nett vom Asphalt geschält hat. Danke an dieser Stelle ausdrücklich dafür, also für beides!

Als Konsequenz gab es alles das hier nicht, weshalb man eigentlich seit zehn Jahren zum Attersee fährt: das riesige Festzelt mit Siegerehrung auf der Bühne, massig Bier- und Wurst- und andere Fressstände und nachher dann irgendwann eine Mischung aus Russendisko und Polonäse Blankenese auf dem Parkett. Eben weil es für die meisten Sportler das letzte Rennen der Saison war, bei dem man nicht sofort nach dem Ziel wieder nach Hause knallt, sondern sich den Abend im Plausch oder der einen oder anderen Räuberpistole verliert.

Kurzfristig auch noch hopps gegangen ist dann die Großbildleinwand im Ziel mit den Livebildern von der Strecke. Neu und für das erste Jahr echt gut gemacht war ein moderierter Livestream, den man hier noch angucken kann inklusive dem ein oder anderen Auftritt von mir. Weil schon Fragen kamen: meine Unterlippe gehört in Zeitfahrposition so und ist aerodynamisch von Vorteil. Ähnlich wie der Rotzfaden (für Interessierte: siehe grob bei Stunde 3:26:40).

Marcus Baranski beim King of the Lake

Mein Ritt um den See an sich ist dann eigentlich recht schnell erzählt: es lief alles komplett nach Plan – und noch besser. Bis zum Einstieg in die Rampe bei Unterach hatte ich sogar noch eine ganze Ecke mehr an Watt auf der Uhr als den anvisierten Bereich und das hat bis zum Ende nur noch ganz minimal nachgelassen. Mein Problem mit den tauben Armen habe ich den Tag in den Griff bekommen indem ich einfach öfter mal Basislenker gefahren bin, wenn ich wie geplant die Steigungen auf der zweiten Hälfte mit deutlich weniger Handbremse hochgeballert bin als letztes Jahr. Und erstmalig hatte ich den Umwerfer im Wagen liegen lassen und bin mit einem 58er Einfachblatt gefahren. Ok, das hatte ich vorher natürlich ausprobiert und siehe da: auch den 13%er kurz vorm Schluss kam ich gut hoch damit und dem 32er Rettungsring hinten.

Von daher war ich im Ziel dann doch erstmal verwundert, als Kollege Hermanutz, der zwei Minuten hinter mir gestartet war, im Ziel fast zeitgleich mit mir reinkam. Für ihn ging es damit auf den Hot Seat, für mich nach dem üblichen Gewürge im Gras dann schnurstracks zurück zum Auto. Zwischenfazit in dem Moment für mich: das mit der Stunde war wieder nicht drin, dieses Mal mit fast einer Minute zu viel – und so langsam war ich da noch nie.

So richtig übel wurde es dann aber beim lockeren Ausfahren. Ich kam erst gar nicht auf das Rad, weil die Arschbacken beide so dermaßen wehtaten. Nächstes Zwischenfazit: Ausbelastet war ich offenbar, da war absolut nicht mehr drin. Und gut, dass das Drama in dem Moment niemand gesehen hat, dass sah sicher ziemlich debil aus, ähnlich wie mein Gang die Stunde danach.

Marcus Baranski beim King of the Lake

So ein bisschen hob sich meine Laune dann aber schnell wieder, als mein Kumpel Janni mit seinem Smartphone vor mir rumfuchtelte, ich habe meine/unsere Altersklasse gewonnen. Beziehungsweise würde aktuell zumindest führen. Netterweise hatte man nämich extra eine eingeführt namens U 60. Wohlgemerkt, U und nicht Ü. Willkommen in Österreich! Weil es mit dem Gesamtding und/oder allem unter einer Stunde nichts wurde, war ich für den Tag damit dann auch relativ schnell ok.

Interessant bis witzig wurde es dann aber doch noch Richtung Gesamtwertung und da war ich dann froh, nicht auf dem Hot Seat gegrillt zu werden: nachdem Felix schon als Sieger interviewt wurde und sich über seinen erneuten Triumph freute, kam jemand aus dem Off und kegelte ihr wieder runter vom Thron. Vorab an Herrn Hermanutz: als ich dir zum Sieg gratuliert habe und du so nett Fassung bewahrt hast, da dachte ich wirklich, ich stünde dem 20er King gegenüber!

Die Geschichte geht im Detail dann so weiter: ziemlich weit hinten startete noch ein rothaariger ambitionierter Bursche aus dem Frankenland auf seinem neuen Shiv. Den kenne ich schon etwas länger, der wollte nämlich vor ein paar Jahren bei den 180 Kilometern Staffel in Roth mit mir auf dem Rad das Quatschen anfangen. Das konnte ich damals noch dezent abblocken, um weiter genug Luft zum Atmen zu haben. An den Duschen erzählte er mir den Nachmittag dann aber noch ganz viel.

Und den Kandidaten hätte man eigentlich auf dem Schirm haben können für einen guten Platz, auch weil er letztes Jahr schon als heißer Favorit auf den Gesamtsieg angepriesen wurde (Quelle: Atterbiker). Wenn er 2019 nicht erst seinen Start verpennt hätte, dann die rechte Fahrspur großzügig interpretiert hätte, nach Ermahnung dann das Diskutieren angefangen hätte und schließlich aus der Wertung geschmissen worden wäre, dann wäre er beim 2019er King mit seiner Zeit von 1:00:31,99 schon Neunter geworden (Quelle auch wieder: Atterbiker). Genau einen Platz hinter – genau – mir.

So flog er ein bisschen sehr unter dem Radar und mit seiner Zeit von 58:58,99 und dem dazugehörigen 48er Schnitt ist wohl mehr als einem im Ziel die Fassung aus dem Gesicht gefallen. Außer ihm selbst wie ich vermute. Er war nämlich ganz gefasst, als wir danach sprachen. Wieviel Watt dazu nötig waren, konnte er leider nicht sagen, er fährt nämlich ohne sowas wie einen Powermeter. Dafür aber mit echten Haaren an den Beinen.

Marcus Baranski beim King of the Lake

Finales Fazit: So lang die dicke Frau noch singt, ist die Oper nicht zu Ende! Oder: wer hier oben steht, ist der, der ganz am Ende der Schnellste war. Und jetzt aufgepasst liebe Lizenzfahrer des Landesverbandes Bayern: bitte nicht wundern, wenn ihr am kommenden Wochenende einen Landesmeister im Zeitfahren bekommt, der das ganz ähnlich rocken wird und wo dann wieder alle doof aus der Wäsche gucken.

An diese Stelle nochmal ein ganz herzlichen und ehrliche Glückwunsch an Tobias Häckl aus Heideck: du hast aus meiner Sicht den Vogel beim KOTL so richtig souverän abgeschossen! Eventuell quatschen wir in Roth dann mal wieder ausführlicher? Aber bitte wenn, dann erst im Ziel, wenn du endlich Erlers Erbe angetreten hast.

Abgeschossen habe ich dann auf der Siegerehrung auch noch was und zwar die Konfettikanone Modell „Party Popper“, die ich mir in weiser Voraussicht am Tag vorher beim Billa gekauft habe. Eigentlich nicht „nur“ für die Klasse unter 60, aber was soll der Geiz?

Abschließend noch ein Riesendankeschön an alle Atterbiker, die ganzen Freiwilligen vor Ort sowie die Behörden (wer auch immer das bei euch da unten ist), dass ihr diese Veranstaltung in diesem verrückten Jahr so gut über die Bühne gebracht und alle Teilnehmer glücklich gemacht habt. Wir kommen garantiert alle wieder. Ob nun aus Berlin, Bremen oder ganz aus Belgien. Und natürlich auch wieder mit der Reisegruppe „KOTL“ aus Hamburg. Und dann bitte endlich unter dieser einen verdammten Stunde! Danke vorab!

Bilder: Sportograf

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